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Was bedeutet Zugewinn und Zugewinnausgleich?
„Habe ich bei einer Scheidung Ansprüche auf das vorhandene Vermögen?“
Zugewinn und Anspruch auf Ausgleich
Wurde im Rahmen eines Ehevertrages oder einer Scheidungsfolgenvereinbarung nichts anderes vereinbart, leben Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dies bedeutet nicht, wie oft angenommen, dass das in der Ehe erworbene Vermögen beiden Ehegatten gehört. Auch in der Zugewinngemeinschaft erwirbt jeder für sich Vermögen und das bis dahin vorhandene verbleibt im eigenen Eigentum. Anders ist es, wenn geimeinsam etwas erworben wird. Wird beispielsweise ein Haus zusammen angeschafft und beide Eheleute in das Grundbuch eingetragen, handelt es sich um gemeinsames Vermögen.
Streng genommen ist die Zugewinngemeinschaft eine Gütertrennung, die lediglich bei Beendigung des Güterstandes einen Anspruch begründet, den in der Ehe erworbenen Zugewinn (des Vermögens) durch eine Zahlung auszugleichen.
Der allein verdienende Ehegatte kann so u. U. Vermögen für sich alleine bilden, indem beispielsweise Sparguthaben gebildet oder Aktien und Wertgegenstände angeschafft werden, wohingegen der andere Teil, welcher sich z.B. um die Kinder und den Haushalt gekümmert hat, mangels eigener Einkünfte kein eigenes Vermögen bilden konnte. Um hier einen Ausgleich zu finden, sieht das Gesetz vor, dass bei Beendigung des Güterstandes aufgrund Scheidung ein Ausgleich stattfindet.
Um einen Zugewinnausgleichsanspruch zu berechnen, ist zunächst der Zugewinn der Eheleute zu ermitteln. Nach der gesetzlichen Definition ist der Zugewinn der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt. Ein gemeinsames Haus ist entsprechend dem Miteigentumsanteil bei beiden Ehegatten in Höhe des Wertes abzüglich der Schulden zu berücksichtigen. Beim Anfangsvermögen ist § 1374 Abs. 2 BGB zu beachten ist, wonach „Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, wird nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, soweit es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist.“ Das von den Eltern geerbte Haus oder Vermögen ist also so zu behandeln, als sei es zu Beginn der Ehe bereits vorhanden gewesen. Als Zugewinn fließt das Erbe oder die Schenkung daher nur ein, wenn eine Wertsteigerung eingetreten ist.
Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu.
Stichtag Zugewinn
Stichtag: Wird die Ehe geschieden, so tritt für die Berechnung des Zugewinns und für die Höhe der Ausgleichsforderung an die Stelle der Beendigung des Güterstandes (rechtskräftige Scheidung) der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (Zustellung des Scheidungsantrages beim Antragsgegner).
Unter bestimmten Voraussetzungen kann gem. § 1385 BGB auch ein vorzeitiger Zugewinnausgleich verlangt werden.
Anspruch auf Auskunft
Um den Anspruch überhaupt beziffern zu können, haben die Eheleute einen Auskunftsanspruch (§ 1379 BGB). Damit Vermögensverschiebungen zwischen der Trennung und der Zustellung des Scheidungsantrages überprüft werden können, besteht auch ein Auskunftsanspruch über den Bestand des Vermögens zum Zeitpunkt der Trennung, welcher bereits unmittelbar nach der Trennung geltend gemacht werden kann.
Verjährung Zugewinnausgleich
Der Zugewinnausgleichsanspruch verjährt nach § 195 BGB innerhalb von drei Jahren, wobei nach § 207 BGB die Verjährung gehemmt ist, wenn die Ehe noch nicht beendet ist. Info: Rechtskraft der Scheidung
Beispiel Berechnung Zugewinn:
Der erwerbstätige Ehemann hatte zum Zeitpunkt der Heirat ein Vermögen von EUR 15.000. Zum Ende der Ehe hat dieser ein Vermögen von insgesamt EUR 35.000. Die Ehefrau hatte bei Heirat ein Vermögen in Höhe von EUR 10.000 und konnte aufgrund der Haushaltsführung kein weiteres Vermögen bilden, so dass auch bei Scheidung das Vermögen noch EUR 10.000 beträgt. Daraus folgt folgende Berechnung:
- Der Zugewinn des Ehemannes beträgt EUR 35.000 ./. EUR 15.000 = EUR 20.000
- Der Zugewinn der Ehefrau beträgt EUR 10.000 ./. EUR 10.000 = EUR 0,00
- Die Differenz der Zugewinne ist daher EUR 20.000 ./. EUR 0,00 = EUR 20.000
- Die Ehefrau kann daher vom Ehemann die Hälfte dieser Differenz (EUR 20.000 : 2 = EUR 10.000) verlangen.
Das Berechnungsbeispiel ist stark vereinfacht, da im Hinblick auf die Inflation eine Indexierung des Anfangsvermögens zu erfolgen hat. Auch kann eine Erbschaft oder Schenkung die Berechnung beeinflussen, da diese (fiktiv) dem Anfangsvermögen hinzugerechnet werden. Ein z.B. während der Ehe geerbtes Haus wird also bei der Berechnung so behandelt, als sei dies Anfangsvermögen. In den Zugewinn kann dann nur eine Wertsteigerung der Immobilie für die Zeit des Erbes bis zum Stichtag der Beendigung des Güterstandes einfließen.
Info: Welchen Einfluss haben die Trennung und Scheidung auf das Erbrecht, Erbvertrag und Testament?
Der Zugewinnausgleich oder der Zugewinnausgleichsanspruch bedeutet nicht, dass Vermögen zwischen den Eheleuten geteilt wird. Jeder behält sein Vermögen. Wer also z.B. Alleineigentümer eines Hauses oder eines Luxusgegenstandes ist, bleibt dies auch. Es erwächst allerdings ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des eigenen Zugewinn übersteigenden Vermögenszuwachses des anderen Ehegatten.
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Auszug aus dem bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 1385
Vorzeitiger Zugewinnausgleich des ausgleichsberechtigten Ehegatten bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft
Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen, wenn
- die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben,
- Handlungen der in § 1365 oder § 1375 Absatz 2 bezeichneten Art zu befürchten sind und dadurch eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung zu besorgen ist,
- der andere Ehegatte längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat und anzunehmen ist, dass er sie auch in Zukunft nicht erfüllen wird, oder
- der andere Ehegatte sich ohne ausreichenden Grund beharrlich weigert oder sich ohne ausreichenden Grund bis zur Erhebung der Klage auf Auskunft beharrlich geweigert hat, ihn über den Bestand seines Vermögens zu unterrichten.
§ 1379
Auskunftspflicht
(1) Ist der Güterstand beendet oder hat ein Ehegatte die Scheidung, die Aufhebung der Ehe, den vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft oder die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft beantragt, kann jeder Ehegatte von dem anderen Ehegatten
- Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen;
- Auskunft über das Vermögen verlangen, soweit es für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgeblich ist.
Auf Anforderung sind Belege vorzulegen. Jeder Ehegatte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses zugezogen und dass der Wert der Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten ermittelt wird. Er kann auch verlangen, dass das Verzeichnis auf seine Kosten durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.
(2) Leben die Ehegatten getrennt, kann jeder Ehegatte von dem anderen Ehegatten Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
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Gut zu wissen:
Das Vermögen wird bei Scheidung nicht automatisch aufgeteilt. Das Gericht entscheidet grundsätzlich nur auf Antrag eines Ehegatten, für den Anwaltszwang gilt. Eine Entscheidung ergeht im sog. Scheidungsverbund, d.h. das Gericht entscheidet gleichzeitig über die Scheidung und alle Folgensachen. Wer eine Regelung durch das Gericht im Rahmen der Scheidung herbeiführen möchte, muss also aktiv werden und durch einen Rechtsanwalt einen konkreten Antrag stellen lassen. Der Scheidungsantrag alleine reicht hierfür nicht.
Inhalt dieser Seite: Ausgleich Zugewinn bei Scheidung
Aktualisiert am 1. Januar 2024 durch Rechtsanwalt Steinbach