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Was bedeutet Scheidungsprozess?

„Was ist eigentlich ein Scheidungsprozess?“

Es war einmal … Scheidungsklage, Scheidungsprozess und Scheidungsurteil

Das Recht von vorgestern als vermeintlich aktuelle Information 2024 im Internet

Sehr viele Informationen und selbsternannte Ratgeber sind im Internet zur Scheidung zu finden. Seiten, die ausschließlich die vom Gesetzgeber vorgegeben Begriffe der aktuellen Rechtslage und daher in der gerichtlichen Praxis üblichen verwenden, sind allerdings sehr selten. Gründe hierfür sind vielfältig. Da ist zunächst Unwissenheit und es wird einfach bei einer anderen Seite falsch oder lückenhaft abgeschrieben. An anderer Stelle steckt dahinter Absicht, um mit falschen Begriffen in der Suchmaschine nach vorne zu kommen oder die Seite ist schlicht veraltet. An mancher Stelle scheint es, dass man dort selbst 2024 noch nicht mitbekommen hat, dass der Gesetzgeber bereits 2009 für familienrechtliche Verfahren sowohl beim Verfahren wie auch der Kosten neue Gesetze eingeführt hat. Dann gibt es noch Seiten, die bei den „aktuellen“ Informationen zur Scheidung viele alte und aktuelle Begrifflichkeiten durcheinanderwerfen und mit eigenen Wortschöpfungen wie z.B. (neues) Scheidungsgesetz, Blitzscheidung, Scheidungsurkunde, Kostenvoranschlag Scheidung und anderen Marketingbegriffen vermengen, was das Thema keinesfalls übersichtlicher macht. Der sachgerechten Information dient es jedenfalls nicht, aktuelles zur Scheidung mit nicht mehr aktuellen Begriffen oder in der Praxis noch nie verwandten Begriffen zu erläutern. Den für Sie zuständigen Richter werden Sie im Scheidungstermin sicherlich nicht besser inhaltlich folgen können, wenn dieser andere Begriffe als der von Ihnen gefundene Ratgeber zum Familienrecht verwendet. Deswegen nachfolgend eine kurze Übersicht und Klarstellung:

 

Ehescheidung bei Gericht

Eine Ehe kann nur auf Antrag mindestens eines Ehegatten durch ein Gericht geschieden werden. Mit Rechtskraft der Entscheidung ist die Ehe aufgelöst (§ 1564 BGB). Der Scheidungsantrag kann aufgrund bestehenden Anwaltszwangs im gerichtlichen Verfahren nur durch einen Rechtsanwalt gestellt werden. Wird neben dem Antrag auf Ehescheidung von keinem Ehegatten ein weiterer Antrag gestellt, kann der andere Ehegatte auch ohne Anwalt der Scheidung zustimmen (sog. einvernehmliche Scheidung).

Damit das Gericht die Scheidung aussprechen kann, müssen die Voraussetzungen der Scheidung vorliegen. Die Ehe muss zerrüttet sein und die Ehegatten in der Regel mindestens ein Jahr getrennt gelebt haben. Möglich ist dies grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Ehegatten. Eine Trennungszeit von 3 Jahren muss nicht abgewartet werden, wie an mancher Stelle zu lesen ist.

Die Kosten der Scheidung für das Gericht und den Anwalt sind gesetzlich geregelt. Wird mit dem Anwalt keine Vergütungsvereinbarung über ein höheres Honorar geschlossen, sind die Gebühren bei jedem Gericht und Anwalt immer gleich hoch. Ein Kostenvergleich verschiedener Anwälte ist daher nicht möglich. Weniger als die gesetzlichen Gebühren darf der Anwalt nicht abrechnen, so dass an mancher Stelle oft missverständlich statt von gesetzlichen Gebühren von Mindestgebühren gesprochen wird.

Online Scheidung
Online kein besonderes Verfahren bei Gericht

Auch eine sog. Online-Scheidung ist weder günstiger noch schneller, da mit dem Begriff nur gemeint ist, einen Anwalt online zu kontaktieren. Es handelt sich also nicht um ein besonderes Verfahren, deren Dauer oder Ablauf anders wäre, auch wenn an mancher Stelle zu lesen ist, man könne die Scheidung dort online einreichen und die Online-Scheidung sei an allen Gerichten anerkannt. Diese Aussage eines Anwaltsvermittlers ist natürlich nicht zutreffend. Wie eingangs dargelegt, kann nur ein Gericht die Scheidung aussprechen und zwar nur dann, wenn wenigstens ein Ehegatte den Antrag auf Ehescheidung durch einen Anwalt gestellt hat. Von dem Gericht erhalten Sie nach dem Scheidungstermin auch ganz anlog den Scheidungsbeschluss. Das Datum der Rechtskraft auf der Entscheidung des Gerichts entspricht dem Datum der Auflösung der Ehe. Eine besondere Scheidungsurkunde gibt es nicht. Der Beschluss dient als Nachweis der Scheidung.

Aussagen im Internet wie „Scheidung online einreichen – Alles online und transparent“ oder „Scheidung im Internet – Deutschlandweit“ beziehen sich niemals auf ein besonderes Verfahren bei Gericht, sondern sind nur Werbeaussagen, die so wahr sind, wie die tatsächliche Existenz eines flügelverleihenden Energydrinks. Tatsächlich reichen Sie dort nicht die Scheidung sondern nur Ihre sensiblen Daten bei meist einem Anwaltsvermittler ein.

 

Alte und aktuelle Begriffe im Verfahren der Scheidung bei Gericht

Auch wenn auf vielen Seiten zu finden, gibt es Begriffe wie z.B. Scheidungsprozess, Scheidungsklage, Scheidungsurteil, Prozesskostenhilfe und Streitwert seit dem vorletzten Jahrzehnt nicht mehr bei einer Ehescheidung. Dies sind auch keine synonym verwendbare Begriffe, wie man Ihnen an mancher Stelle glaubend machen möchte, sondern jeweils ein Terminus aus nicht mehr anzuwendenden Gesetzen. Sie bekommen also bei den sogenannten aktuellen Informationen vieler Seiten vermittelt, wie es früher einmal war. Wer will das eigentlich wissen, wenn die Begriffe beim Scheidungsverfahren schon sehr lange nicht mehr vorkommen? Ihr zuständiger Richter wird die obigen und viele andere Begriffe auch nicht verwenden. Bleibt zu hoffen, dass Sie die Begriffe der aktuellen Gesetzeslage kennen, um nicht völlig im Scheidungsverfahren durch das Gericht bei Verwendung der richtigen Begriffe verwirrt zu werden.

Familiensachen - Verfahren bei Gericht
FamFG: Scheidungsverfahren statt Scheidungsprozess

Bis zum 31.08.2009 war das gerichtliche Verfahren betreffend einer Ehescheidung in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Entsprechend wurde das gerichtliche Verfahren Scheidungsprozess genannt. Endentscheidungen des Gerichts ergehen nach der ZPO als Urteil. Demgemäß wurde die Ehe seinerzeit durch Scheidungsurteil des Gerichts geschieden. Am Ende des Prozesses wurde der Streitwert durch das Gericht festgesetzt. Das aktuelle Verfahrens- und Kostenrecht kennt die Begriffe Scheidungsprozess, Scheidungsurteil und Streitwert nicht mehr. Ausführungen, wie der Ablauf des Scheidungsprozesses und wie der Streitwert zu berechnen ist, werden Sie gleichwohl an sehr vielen Stellen im Internet finden. Im wirklichen Leben, also in der gerichtlichen Praxis werden Ihnen die Begriffe nicht unterkommen.

Seit dem 01.09.2009 ist die Ehescheidung im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Diesbezüglich heißt es nach den Vorgaben des Gesetzgebers nicht mehr Scheidungsprozess, sondern Scheidungsverfahren.  Endentscheidungen des Gerichts ergehen nach dem FamFG durch Beschluss. Folglich wird die Entscheidung des Gerichts, in der die Scheidung ausgesprochen wird, auch nicht mehr Scheidungsurteil, sondern Scheidungsbeschluss genannt. Eingeleitet wird das Verfahren auch nicht mehr mit der Scheidungsklage, sondern dem Antrag auf Ehescheidung (sog. Scheidungsantrag). Die Parteien in der ZPO nennen sich Kläger und Beklagter, die Beteiligten des Verfahrens im seit 2009 bei Familiensachen anwendbaren FamFG hingegen Antragsteller und Antragsgegner. Die Ehegatten sind bei Gericht auch nicht mehr Parteien des Prozesses, sondern Beteiligte des Verfahrens.

Auch gilt im Rahmen des Kostenrechts nicht mehr der Streitwert des GKG, sondern der Verfahrenswert des FamGKG. Beide Begriffe sind Legaldefinitionen des Gesetzgebers für das jeweilige Kostengesetz. Bei welchem Verfahren das jeweilige Gesetz anwendbar ist, ist im jeweiligen § 1 geregelt. Im Hinblick  auf die unterschiedliche Anwendbarkeit unterscheiden sich die Kostengesetze grundsätzlich bei den Vorschriften zu der Wertberechnung des Verfahrens und auch den Gebührentatbeständen bezüglich der Höhe der entstehenden Gerichtsgebühren.

Verfahrenskostenhilfe nach dem FamFG
Verfahrenskostenhilfe statt Prozesskostenhilfe

Für das Verfahren erhält man bei nicht ausreichendem Einkommen auch keine Prozesskostenhilfe (mehr) nach der ZPO, sondern Verfahrenskostenhilfe nach dem FamFG.

Verfahrenskostenhilfe statt Prozesskostenhilfe durch GerichtDie richtige Verwendung der Begriffe ist also auch immer ein Hinweis darauf, welches konkrete Gesetz anwendbar ist. Und wer vor Verfassung eines Artikels im Internet vorher ins Gesetz gesehen hat, benutzt im Normalfall keine Begriffe aus anderen (nicht oder nicht mehr anwendbaren) Gesetzen.

Auch die Suche mit nur aktuellen Begriffen im Internet macht Sinn. Wer z.B. auf der Suche nach Gerichtsentscheidungen ist, wird bei der Suche mit z.B. „Prozesskostenhilfe Scheidung“ auf Rechtsprechung bis zum Jahr 2009 (Scheidungsprozess) und bei der Suche mit „Verfahrenskostenhilfe Scheidung“ auf Entscheidungen seit dem Jahr 2009 (Scheidungsverfahren) stoßen. Genauso verhält es sich mit anderen Begriffen wie „Streitwert Scheidung (altes Recht) und „Verfahrenswert Scheidung“ (aktuelles Recht).

Scheidung durch Beschluss des Amtsgerichts
Scheidung durch Beschluss statt Urteil seit 2009

Sollten Sie auf Seiten im Internet stoßen, die nicht mehr der aktuellen Gesetzeslage entsprechende Begriffe wie z.B. Scheidungsprozess, Scheidungsklage, Scheidungsurteil, Berufung, Kläger, Beklagter, Streitwert, Prozesskostenhilfe (Begriffe der ZPO und des GKG, die bei Scheidung nicht mehr anwendbar sind) aus dem vorletzten Jahrzehnt verwenden, sollten Sie prüfen, ob die Seiten überhaupt die aktuelle Rechtslage zum Gegenstand haben und nicht veraltet sind oder sich fragen, warum Sie falsche Begriffe vermittelt bekommen. Im Gesetz (FamFG und FamGKG) stehen die Begriffe im Zusammenhang mit einem familienrechtlichen Verfahren  jedenfalls nicht. Und in der gerichtlichen Praxis werden diese auch nicht, sondern ausschließlich Begriffe der aktuellen Gesetzeslage, verwendet. Warum auch sollte man gesetzlich definierte Begriffe von nicht mehr anwendbaren Gesetzen verwenden? Selbsternannte Ratgeber zum Familienrecht mit angeblich allen aktuellen Informationen zur Scheidung scheinen diesen juristischen Anspruch nicht zu haben. Auch inhaltlich scheint es nicht um rechtlich fundierte Informationen zu gehen.

Wussten Sie z.B., dass es seit 1998 eine Annullierung der Ehe nicht mehr gibt, die seinerzeit im Ehegesetz (EheG) als Nichtigkeitsklage geregelt war? Dann geben Sie doch mal „Ehe annullieren“ (Link zur Suche) in der Suchmaschine ein und schauen, wer den Begriff aus dem letzten Jahrhundert absichtlich falsch oder aus Unwissenheit benutzt und Ausführungen zu den Fristen und Voraussetzungen macht.

An mancher Stelle im Internet ist sogar noch von Rechtsanwaltsgebührenordnung zu lesen, die eigentlich Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) hieß und bereits seit 2004 nicht mehr gilt. Seit dem 01.07.2004 ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Deutschland Grundlage für die Abrechnung auch der im Rahmen der Scheidung geltenden und überall gleich hohen gesetzlichen (Wert-) Gebühren. Lassen Sie sich nicht irritieren, dass der Rechtsanwalt den vom Gericht festgesetzten Verfahrenswert Gegenstandswert nennt. Auch das ist kein Synonym, sondern der Wertbegriff im RVG. Die Höhe entspricht dem Wert des Gerichts.

Das Armenrecht wurde durch Prozesskostenhilfe ersetzt
Neue Regelungen erfordern neue Begriffe

Lassen Sie sich nicht von Seiten in die Irre führen, die Ausführungen dazu machen, dass bestimmte Begriffe synonym verwandt werden können oder umgangssprachlich anders genannt werden. Das stimmt alles nicht! Es gibt weder ein Sprachusus bei Gericht, noch ein Juristendeutsch, sondern nur die richtige Zugrundelegung der aktuellen Gesetzeslage.

Der Gesetzgeber hat das Verfahren geregelt. Und manches im Rahmen des Scheidungsverfahrens eben anders als es im vorletzten Jahrzehnt noch war. Sprachlich so zu tun, als sei es immer noch so wie in vergangenen Zeiten, macht keinerlei Sinn. Wirklich aktuelle Informationen sind so kaum zu finden. Auch im Detail gibt es häufig Unterschiede. So ist z.B. ein Urteil auch nicht dasselbe wie ein Beschluss, auch wenn es beide Formen als Endentscheidung des Gerichts gibt. Deswegen nennt heute auch niemand mehr die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe Armenrecht. Das damals sogenannte „Armutszeugnis“ im seinerzeitigen Scheidungsprozess muss nämlich auch nicht mehr vorgelegt werden. Der Begriff Armutszeugnis wird heute auch in einem ganz anderen Sinnzusammenhang verwendet.

 

Scheidungsprozess Deutschland

In Deutschland war die Ehescheidung als Scheidungsprozess bis 2009 in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Seitdem ist das Scheidungsverfahren im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Der Scheidungsantrag unterliegt dem Anwaltszwang. Die Scheidung wird durch das Gericht im Scheidungsbeschluss ausgesprochen. Auch ohne Streit dauert das Verfahren meist ca. 6-9 Monate.

Auch im seinerzeitigen Scheidungsprozess war es möglich, Kosten zu sparen, indem nur ein Anwalt im Prozess tätig war. Als gemeinsamer Anwalt für beide Parteien konnte dieser – wie auch 2024 -nicht tätig sein.


 

Altes Recht bei aktuellen Informationen

Im Internet kursieren viele falsche Informationen wie z.B. einer angeblich möglichen Annullierung der Ehe, obwohl diese im letzten Jahrhundert abgeschafft wurde. Durch Werbung und Ranking bei den Suchmaschinen auf sich aufmerksam zu machen, scheint auf den entsprechenden Seiten wichtiger als sachliche Informationen zu sein.

Im deutschen Recht gibt es lediglich die gerichtliche Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Aufhebung, nicht jedoch eine Annullierung der Ehe. Die sog. Nichtigkeitsklage wurde im Jahr 1998 durch den Gesetzgeber abgeschafft. …mehr Informationen


 

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Antrag EhescheidungAls Scheidungsprozess wurde der bis 2009 in der ZPO geregelte gerichtliche Prozess einer aufgrund Scheidungsklage erfolgten Ehescheidung bezeichnet. Seitdem erfolgt die Scheidung bei Gericht aufgrund eines Antrages (sog. Scheidungsantrag) im Scheidungsverfahren entsprechend dem FamFG.


 

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Aktualisiert am 8. Januar 2024 durch Rechtsanwalt Steinbach