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Erste Scheidung per Videokonferenz beim Amtsgericht – Familiengericht – Erfurt – 17.11.2014

Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung

Am 17.11.2014 fand beim Familiengericht Erfurt die erste Verhandlung in einer Scheidungssache durch Zuschaltung der Beteiligten per Video* statt. MDR Thüringen und andere Medien berichteten hierüber.

Zum Hintergrund: Nachdem für die hier vertretene Mandantschaft im Rahmen des Scheidungsverfahrens beantragt wurde, dass diese vor dem ersuchten Richter an deren Wohnort vorab angehört wird, um dieser die weite Anreise zum Scheidungstermin zu ersparen, entschloss sich der zuständige Familienrichter am Amtsgericht Erfurt, den Scheidungstermin durchzuführen und statt die Beteiligten vorab an deren Wohnort anzuhören, diese per Video* zuzuschalten. Hierdurch sollte erreicht werden, dass die Verfahrensdauer um einige Wochen verkürzt wird und den Beteiligten eine weite Anreise erspart werden. Bei einer Anhörung vorab am Wohnort hätte der Scheidungstermin erst etwa 4 bis 6 Wochen später stattfinden können.

Die rechtliche Grundlage bietet § 128a ZPO, welcher die Möglichkeit der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung eröffnet. In der entsprechenden Vorschrift heißt es: „Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.“

Die Vorschrift ist auch bei einer Anhörung im Scheidungsverfahren anwendbar (so AG Darmstadt, Beschluss vom 12.08.2014, 50 F 1990/13)

In der vorgenannten Entscheidung des Familiengerichts heißt es auszugsweise:

Die moderne Videokonferenztechnik lässt ein unmittelbares Gegenüber zu und ist daher geeignet, die Ziele des § 128 FamFG– die genauere und umfassendere Sachverhaltsaufklärung, deren Anforderung sich aus dem eingeschränkten Amtsermittlungsgrundsatz nach § 127 FamFG ergibt, zu erreichen.


Ergänzende Anmerkung zur „Scheidung per Video“:

Jetzt gibt es die wirkliche Online Scheidung auch in Deutschland! So und ähnlich wurde und wird nach wie vor von Anbietern einer sog. Online Scheidung, besonders von Anwaltsvermittlern, die entsprechende Pressemeldung zu Marketingzwecken ausgeschlachtet und als Zukunftsmodell verkauft. An mancher Stelle im Internet war sogar von der Scheidung per Skype zu lesen, bei der sich das Ehepaar virtuell hat scheiden lassen oder ein Anwaltsvermittler als modernes Start-up Unternehmen im Zusammenhang mit der „kompletten Online-Scheidung in Erfurt“ präsentiert. Das stimmt so natürlich alles nicht! Insbesondere war der als „modernes Start-up“ umschriebene Anwaltsvermittler nicht beteiligt und hat hiervon wahrscheinlich nur aus der Presse erfahren.

Rechtsanwalt Steinbach als Inhaber und Betreiber dieser Seite war persönlich als Verfahrensbevollmächtigter der Antragstellerseite in dem entsprechenden Termin zur mündlichen Verhandlung in Erfurt anwesend. Unabhängig davon, ob Rechtsanwalt Steinbach in diesem konkreten Fall online oder direkt in der Kanzlei mit der Durchführung des Scheidungsverfahrens beauftragt wurde und der Scheidungsantrag per Papier oder online per EGVP (heute nutzen Anwälte das beA) an das Familiengericht gesandt wurde, gilt: Hier wurde definitiv keine Scheidung online durchgeführt, sondern lediglich die mündliche Verhandlung statt Auge in Auge per Bild- und Tonübertragung durchgeführt. Eine Möglichkeit, die das Gesetz schon lange vorsieht. Es kommt nicht von ungefähr, dass diese Möglichkeit nicht häufig genutzt wird. Jeder, der schon mal eine Videokonferenz mit komplexen Sachverhalten hatte, weiß, dass ein persönliches Gespräch so nicht ersetzt werden kann und daher eine Video-Kommunikation allenfalls die zweitbeste Möglichkeit ist. Entgegen mancher Meldung und Vorstellung ist hier auch keine Übertragung per Skype erfolgt. Die Beteiligten mussten nach einem mehrmonatigen Scheidungsverfahren extra zum Gerichtstermin anreisen, wenn auch nicht zum Gericht der Scheidung, sondern dem nahegelegenen Amtsgericht, damit die Verhandlung über eine spezielle gesicherte Verbindung der Justiz von Gericht zu Gericht mit Bild- und Tonübertragung stattfinden konnte. Auch ohne aufwendige* Videoübertragung ist es möglich, dass die Beteiligten am Gericht ihres Wohnortes angehört werden und dann nicht mehr zum Scheidungstermin anreisen müssen.

Das Corona-Virus hat dem Marketing von Anwaltsvermittlern neuen Anlass gegeben, Szenarien einer Video-Scheidung von Risikogruppen aufzuzeigen, zu denen es allerdings noch keine „Rechtsprechung oder Präzedenzfälle“ geben würde. Präzedenzfälle gibt es im deutschen Recht allerdings sowieso nicht und ansonsten ist weitere Rechtsprechung nicht erforderlich, da genau im Gesetz geregelt ist, was per Bild- und Tonübertragung zulässig ist. Einige Termine zur mündlichen Verhandlung, bei dem wir zu Corona-Zeiten per Bild- und Tonübertragung zugeschaltet waren, hatten wir auch. Der Regelfall war dies trotz Pandemie aber nicht. Das hat die Scheidung allerdings nicht zur Online-Scheidung gemacht, unabhängig davon, ob wie in diesen Fällen vorab in der Kanzlei oder online beauftragt wurden.

Scheidung per Videokonferenz beim Familiengericht
Scheidung per Videokonferenz in Erfurt nicht vom heimischen PC

Klartext: Es gibt auch 2024 keine im Gesetz geregelte Scheidung online oder Video-Scheidung, sondern lediglich die Möglichkeit, einen Scheidungsanwalt auch online zu kontaktieren.

Einige Anwaltsvermittler machen sich dies zu Nutze, an der Scheidung durch Vermittlung eines Anwalts mitzuverdienen, indem Sie bei diesen Anbietern online in einem „Scheidungsformular“ hochsensible Daten ohne den Schutz der anwaltlichen Schweigepflicht übersenden können, damit anschließend eine Vermittlung an einen Ihnen nicht bekannten Anwalt erfolgt. Nach direktem Kontakt mit dem Rechtsanwalt ist natürlich auch denkbar, erfahrungsgemäß aber nicht sehr effektiv, ein Beratungsgespräch per Video mit dem Anwalt zu führen. Eine wirkliche oder echte Online Scheidung oder Videoscheidung ist das aber sicher nicht, selbst dann nicht, wenn der Anwalt anschließend den Scheidungsantrag über das besondere persönliche Anwaltspostfach (beA) online an das Familiengericht übersendet und das Gericht am Ende des Verfahrens in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit eröffnet, über eine Bild- und Tonübertragung am Termin teilzunehmen.


Aufwendige Technik bei Videokonferenz:

*Die Bild- und Tonübertragung muss gewährleisten, dass die Verhandlung zeitgleich an den Orten, wo sich die Beteiligten befinden, übertragen wird. In der Praxis bedeutet dies, dass alle den Vorgang zeitgleich miterleben können müssen und das Bild auch nicht auf einen Ausschnitt beschränkt werden darf. Bei der obigen Verhandlung in Erfurt befanden sich daher sowohl in Erfurt wie auch dem Gericht des Wohnortes jeweils 2 große Bildschirme, so dass beide Gerichtssäle von allen Beteiligten gleichzeitig zu sehen und hören waren.

Entgegen dem Marketing so mancher Online Scheidung, wird die Zukunft auch nicht die Möglichkeit bieten, aus dem Ausland über Videokonferenz an der Scheidungsverhandlung in Deutschland teilzunehmen. Dies ist rechtlich nicht ohne weiteres möglich. Der Ort der Übertragung muss grundsätzlich im Inland sein, da sonst eine hoheitliche Handlung auf fremdem Staatsgebiet durchgeführt werden würde.


Update: Videoverhandlung bei einer Scheidung im Jahr 2024


 

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Nach § 113 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) sind mit einigen Ausnahmen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anwendbar. Für die Zuschaltung der Beteiligten per Video im Scheidungstermin (mündliche Verhandlung) gilt daher nachfolgende Vorschrift:

Auszug aus der ZPO


Zivilprozessordnung


§ 128a Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung

(1) Die mündliche Verhandlung kann in geeigneten Fällen und soweit ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen als Videoverhandlung stattfinden. Eine mündliche Verhandlung findet als Videoverhandlung statt, wenn an ihr mindestens ein Verfahrensbeteiligter oder mindestens ein Mitglied des Gerichts per Bild- und Tonübertragung teilnimmt. Verfahrensbeteiligte nach dieser Vorschrift sind die Parteien und Nebenintervenienten, ihre Bevollmächtigten sowie Vertreter und Beistände.

(2) Der Vorsitzende kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung für einen Verfahrensbeteiligten, mehrere oder alle Verfahrensbeteiligte gestatten oder anordnen. Gegen eine Anordnung kann der Adressat innerhalb einer Frist von zwei Wochen Einspruch einlegen. Hierauf weist der Vorsitzende mit der Anordnung hin.

(3) Beantragt ein Verfahrensbeteiligter seine Teilnahme per Bild- und Tonübertragung, soll der Vorsitzende ihm diese unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gestatten. Die Ablehnung eines Antrags auf Teilnahme per Bild- und Tonübertragung ist kurz zu begründen.

(4) Wird der Einspruch nach Absatz 2 Satz 2 fristgerecht eingelegt, so hebt der Vorsitzende die Anordnung für alle Verfahrensbeteiligten auf, gegenüber denen eine Anordnung erfolgt ist. In diesem Fall soll der Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten, die keinen Einspruch eingelegt haben, die Teilnahme per Bild- und Tonübertragung gestatten. Das Antragsrecht nach Absatz 3 Satz 1 bleibt hiervon unberührt.

(5) Der Vorsitzende leitet die Videoverhandlung von der Gerichtsstelle aus. Er kann anderen Mitgliedern des Gerichts bei Vorliegen erheblicher Gründe gestatten, an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung teilzunehmen.

(6) Den Verfahrensbeteiligten und Dritten ist es untersagt, die Videoverhandlung aufzuzeichnen. Hierauf sind sie zu Beginn der Verhandlung hinzuweisen. Die Videoverhandlung kann für die Zwecke des § 160a ganz oder teilweise aufgezeichnet werden. Über Beginn und Ende der Aufzeichnung sind die Verfahrensbeteiligten zu informieren.

(7) Entscheidungen nach dieser Vorschrift sind unanfechtbar. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

 


§128a ZPO a.F. (gültig bis 18.07.2024)

(1) Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.

(2) Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. Ist Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen nach Absatz 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.

(3) Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet. Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar.

 


Aktualisiert am 18. Oktober 2024 durch Rechtsanwalt Steinbach